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26.05. / 23.07.2001 USA

Grenzenlose Experimentierfreude: Präimplantationsdiagnostik wird mit Klonen zu diagnostischen Zwecken verbunden - mit Mensch-Maus-Interspeziesembryonen

In naher Zukunft wird vielleicht nicht nur über "therapeutisches" und reproduktives Klonen debattiert, sondern auch über "diagnostisches" Klonen. Ein Verfahren, das so bezeichnet werden könnte wurde am 16. Jahrestreffen Ende Juni 2000 von ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) in Bologna von US-Forschern präsentiert. Die Beschreibung und die Resultate dieser Methode wurden lediglich in Form eines Abstracts publiziert.

Um in Embryonen, welche einer Präimplantationsdiagnostik unterzogen wurden, väterliche und mütterliche Translokationen (d.h. Verlagerungen eines Chromosomenstücks von seinem ursprünglichen Ort auf ein anderes Chromosom oder an eine andere Stelle des gleichen Chromosoms) festzustellen, analysierten sie das 1. und 2. Polkörperchen (PB1 und PB2) der befruchteten Eizelle. Zudem wurde auch von einzelnen Zellen, die dem weiter entwickelten Embryo entnommen wurde, der Zellkern zur weiteren Untersuchung entnommen. Bis hierher entspricht das Verfahren der herkömmlichen Präimplantationsdiagnostik. Statt nun die Polkörperchen mittels FISH (Fluorescence In Situ Hybridization) genetisch zu untersuchen, führten die Forscher eine Klonierung wie folgt durch:

Um die Chromosomen von einzelnen Blastomeren der Embryonen sichtbar zu machen, wurde deren Zellkern mit "entkernten" oder intakten Eizellen von Mäusen verschmolzen (Nukleustransfer bzw. Klonen). In der Metaphase der resultierenden ersten Zellteilung wurden die entstandenen Interspeziesembryonen fixiert oder so behandelt, dass eine Kondensation der Chromosomen stattfand. Die resultierenden Chromosomen wurden weiter untersucht.

Als Ergebnis hielten die Forscher fest, dass auf diese Weise 121 von 145 Eizellen und 99 von 121 Blastomeren analysiert wurden. Insgesamt wurden 43 (14,6%) normale und 39 (13.2%) "balanced" Embryonen auf diese Weise selektiert und in 24 von 31 Zyklen transferiert. Daraus resultierten insgesamt fünf Schwangerschaften, wobei zwei in spontanen Aborten endeten, eine zu einer "gesunden" Geburt (healthy delivery) führte und zwei zur Zeit der Publikation noch nicht ausgetragen waren.

Somit beträgt die "Erfolgsquote" dieser Methode vom untersuchten Embryo bis zur Geburt mindestens 0.34% und maximal 0.68%.

Die Forscher vermieden es im Abstract ausdrücklich "human" oder "healthy baby" zu gebrauchen. Doch legt die Beschreibung der Ergebnisse nahe, dass es sich tatsächlich um menschliche Embryonen handelte, die mit dieser Methode untersucht wurden. Wenn es sich um Tierversuche bei Mäusen handelte, wäre dies mit Sicherheit ausdrücklich deklariert worden. Da die Tragzeit bei Mäusen bekanntlich äusserst kurz ist, würde es keinen Sinn ergeben, von "ongoing pregnancies" zu sprechen.

Die gewählte Form des Abstracts statt einer ausführlichen Publikation ermöglicht den Forschern ihre Arbeit in Fachkreisen bekannt zu machen, ohne dabei allzu grosses Aufsehen zu erregen. Man erinnere sich: Die erste Publikation des Klonens in Mehrlingsspaltung von abnormalen menschlichen Embryonen durch J. Hall im Jahr 1993 erfolgte ebenfalls als Abstract. Allerdings sorgte die Wahl des Titels "Cloning of Human Polyploid Embryos Using an Artificial Zona Pellucida" für grosses Aufsehen. Eine detaillierte Publikation jener Versuche ist meines Wissens nie erfolgt. Im Gegensatz dazu lässt der Titel dieses Abstracts keinen Verdacht aufkommen, da der Begriff "nucleus transfer" nicht verwendet, sondern einfach von einer "conversion" die Rede ist.

Für diagnostische Zwecke werden menschliche "rekonstruierte" Embryonen geklont

Yuri Verlinsky und Anver Kuliev haben gemeinsam einen Atlas für Präimplantationsdiagnostik herausgegeben, in welchem sie diesem Verfahren ein eigenes Kapitel 'Nuclear transfer techniques for visualization of chromosomes in polar bodies and blastomeres' widmen. Daraus geht hervor, dass sie durchaus auch menschliche Eizellen verwenden, so dass "normale" menschliche Embryonen eigens für die Diagnostik geklont und anschliessend vernichtet werden. Dieses Faktum wird mit entsprechendem Bildmaterial dokumentiert.

Lücken in Gesetzestexten?

Es ist fraglich, ob die aktuellen Gesetze in der Schweiz (Fortpflanzungsmedizingesetz) und der Bundesrepublik Deutschland (Embryonenschutzgesetz) vor solchen Verfahren ausreichend schützen. Die Entnahme von Blastomeren aus den Embryonen ist nach beiden Gesetzen verboten, doch besteht kein Verbot der Entnahme von Polkörperchen. Hier muss eine (weitere) Lücke geschlossen werden. Sowohl die Entnahme von Polkörperchen, als auch deren Verwendung für Transfers in Eizellen muss verboten werden.

Zur Mentalität der Präimplantationsdiagnostik

Das Beispiel zeigt die Mentalität, welche hinter der Präimplantationsdiagnostik steckt. Hier ist das Wort "Scheuklappen" (vgl. Bundeskanzler Gerhard Schröder) am richtigen Platz. Die Forscher haben nur die Diagnose und das angestrebte Ziel eines gesunden Kindes im Blick. Ihnen entgeht aber, dass die PID ebenso wie das "therapeutische" Klonen zur denkbar radikalsten Instrumentalisierung des Menschen gehört. Das Ziel im Blick, vergessen sie - oder übersehen sie geflissentlich - , dass auch über das Tun, das zu diesem Ziel gehört, nachgedacht und aus der ethischen Bewertung dieses Tuns Konsequenzen gezogen werden müssten. Der Begriff "ideologische Scheuklappen" ist hier tatsächlich angebracht. Im Namen der Freiheit der Forschung, die oftmals als "Narrenfreiheit" bezeichnet werden müsste, hat sich offensichtlich das, was der Mensch bisher an Werten erkannt und geschützt hat, auf Gedeih und Verderben unterzuordnen.

Literatur

Cieslak J., Evsikov S., Ivakhnenko V., Strom C., Kuliev A., Verlinsky Y., Preimplantation Diagnosis for Maternally and Paternally Derived Translocations Using Conversion of Single Blastomeres and Second Polar Bodies into Metaphase Chromosomes: Hum Reprod 15 (Abstract Book 1) (2000) O-123, 48-49.

Verlinsky Yuri, Kuliev Anver, An Atlas of Preimplantation Genetic Diagnosis. New York 2000, 27-30, 100-101.

Adresse: Verlinsky Yuri, Reproductive Genetics Institute, Illinois Masonic Medical Center, 836 W. Wellington, Chicago, IL, 60657, USA.

Willadsen S., Levron J., Munné S., et al., Rapid Visualization of Metaphase Chromosomes in Single Human Blastomeres After Fusion With In-vitro Matured Bovine Eggs: Hum Reprod 14 (1999) 470-474.

Santiago Munne, Ph.D., Institute for Reproductive Medicine and Science of Saint Barnabas, Livingston, New Jersey 07052, USA.

Hall J.L., Engel D., Gindoff P.R., Mottla G.L., Stillman R.J., Experimental Cloning of Human Polyploid Embryos Using an Artificial Zona Pellucida: Fertil Steril Abstracts (1993) O-001, S1.

Externe Links

Homepage von ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) Die interessanten Facts können leider nur von eingeschriebenen Mitglieder eingesehen werden. Mit der Transparenz der Forschung ist es offensichtlich nicht weit her. Vom 1. bis 4. Juli hat in Lausanne das nächste Jahrestreffen stattgefunden.